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Sankt Gallen: Umfangreiche Untersuchungen wegen illegal hergestellten Covid-19-Zertifikaten

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Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen führt umfangreiche Strafuntersuchungen im Zusammenhang mit über 9’000 illegal hergestellten Covid-19-Zertifikaten. Zehn Personen, welche in die Herstellung solcher Zertifikate involviert sein sollen, wurden festgenommen. Sie sowie die Abnehmerinnen und Abnehmer der illegal hergestellten Zertifikate trifft der Vorwurf der Urkundenfälschung. Der Kanton St. Gallen hat beim Bund das Prozedere der Zertifikats-Generierung wiederholt moniert. Mittlerweile wurden seitens des Bundes Anpassungen in Aussicht gestellt.

Das Gesundheitsdepartement informierte mit Mitteilung vom 23. Dezember 2021, dass tags zuvor über 8’000 illegal ausgestellte Impfzertifikate annulliert worden waren. Die Staatsanwaltschaft untersuche den Tathergang.

Ausgangspunkt für die Strafverfahren war ein Hinweis über illegal ausgestellte Impfzertifikate, der Anfang Dezember 2021 beim Gesundheitsdepartement einging. Nach eigenen Abklärungen reichte dieses bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen zwei Personen ein. Parallel dazu erhielt auch die Kantonspolizei Sankt Gallen Hinweise, wonach gewisse Personen über illegal hergestellte Impfzertifikate verfügten. Vor diesem Hintergrund hat die Staatsanwaltschaft in Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei und unterstützt durch das Gesundheitsdepartement mehrere Strafuntersuchungen eröffnet. In deren Rahmen konnten Personen identifiziert werden, die mutmasslich in den Handel mit illegal hergestellten Covid-19-Zertifikaten involviert sind.

Zwangsmassnahmen und Tatvorgehen

Bislang wurden im Auftrag der Staatsanwaltschaft zehn Personen festgenommen. Es handelt sich dabei um vier Schweizer, drei Serben, einen Iraker, eine Serbin und eine Kroatin; alle mit Jahrgang zwischen 1992 und 2002. Gegen sieben Personen hat die Staatsanwaltschaft Antrag auf Untersuchungshaft gestellt, wobei diese durch das zuständige Zwangsmassnahmengericht in allen Fällen bewilligt wurde. Aktuell befinden sich noch drei Personen in Untersuchungshaft. Im Weiteren kam es zu mehr als einem Dutzend Hausdurchsuchungen.

Bei einzelnen beschuldigten Personen handelt es sich um Mitarbeitende verschiedener Testcenter, welche im Privatbereich ihre dienstlichen Accounts für die Erstellung von Covid-19-Zertifikaten missbraucht haben sollen. Konkret sollen diese Mitarbeitenden gegen Entgelt anderen Beschuldigten Zugang zu ihren Accounts gewährt haben, welche damit ihrerseits missbräuchlich Zertifikate generierten. Insgesamt haben die kantonalen Strafverfolgungsbehörden mittlerweile Kenntnis von über 9’000 illegal hergestellten Zertifikaten. Darunter sind rund 8’000 Impfzertifikate, beim Rest handelt es sich um Genesenen- und vereinzelte Testzertifikate. Die Endabnehmenden bezahlten für die illegalen Impf- und Genesenenzertifikate Beträge zwischen 300 und 800 Franken.

Kanton hat Zugang zu Zertifikatsausstellung früh kritisiert

Erstellt werden die Zertifikate auf der Webapplikation des Bundesamts für Informatik. Der grösste Teil der Impfzertifikate im Kanton St.Gallen wird automatisch generiert. Nachdem eine Impfung im IT-Tool www.wir-impfen.ch bestätigt ist, werden die nötigen Daten direkt ans BIT weitergeleitet. Dieses generiert anschliessend das Impfzertifikat. Im Kanton St.Gallen wurden rund 490’000 Impfzertifikate (inkl. neue Zertifikate für Booster-Impfungen) über diesen Prozess automatisch generiert. Zertifikate – also auch Impfzertifikate – können aber auch manuell über eine Web-Plattform beantragt werden. Wer Zugang zu diesem System hat, kann verschiedene Zertifikatstypen ausstellen. So haben beispielsweise auch Personen in Teststellen die Möglichkeit, Impfzertifikate auszustellen – obwohl sie gar keine Impfungen verabreichen.

Der Kanton St.Gallen sowie weitere Kantone haben das BIT von Beginn der Zertifikatserstellung an auf diese Berechtigungsproblematik hingewiesen. Weiter monierten die Kantone, dass sie die Aktivitäten der Ausstellerinnen und -aussteller von Zertifikaten nicht selbstständig und einfach überprüfen können.

Aufdeckung hat hohe Priorität bei Staatsanwaltschaft und Kantonspolizei

Die Staatsanwaltschaft und die Kantonspolizei arbeiten mit Hochdruck an den Untersuchungen. Fünf Staatsanwältinnen und Staatsanwälte führen Strafverfahren. Die Kantonspolizei hat eine Sonderkommission gebildet und steht mit mehr als zehn Mitarbeitenden im Einsatz. Dabei wird vor allem die Auswertung diverser Datenträger noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Ausserdem stehen weitere Einvernahmen der verschiedenen Beteiligten an. Auf Grund der umfangreichen Untersuchungen kann derzeit kein Datum für den Abschluss des Verfahrenskomplexes genannt werden.

Stand der Strafverfahren und Ausblick

Sämtliche Beteiligten (Hersteller, Mittäter, Endabnehmer) trifft der Vorwurf der Urkundenfälschung (Art. 251 StGB) und allenfalls weiterer Delikte. Die Hersteller der illegalen Zertifikate müssen mit einer Anklage beim zuständigen Gericht rechnen. Das Strafmass hängt dabei von den konkreten Vorwürfen und den individuellen Verhältnissen der Beschuldigten ab. Kriminell erlangte Gewinne sollen eingezogen werden. Die Abnehmenden der illegalen Zertifikate erwartet eine Verfolgung im Strafbefehlsverfahren. Bislang hat sich eine Handvoll Abnehmerinnen und Abnehmer zu einer Selbstanzeige entschlossen. Sie können gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung mit einer deutlichen Strafreduktion rechnen. Für sämtliche beschuldigten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

Hinweise auf missbräuchliche Aktivitäten seit Sommer 2021

Das Gesundheitsdepartement hat seit Sommer 2021 wiederholt Hinweise zu möglichen Zertifikats-Missbräuchen erhalten. Dagegen vorzugehen war allerdings schwierig, da die Hinweise meist anonym erfolgten und aus Datenschutzgründen im Ausstellsystem für Zertifikate keine Personendaten der Zertifikatsinhaber gespeichert werden dürfen. Lediglich die sogenannte UVCI-Nummer des Zertifikats darf gespeichert werden.

Damit die verdächtigen Hinweise trotzdem überprüft werden konnten, forderte das Gesundheitsdepartement im Juli 2021 beim BIT eine Auflistung aller manuell generierten Impfzertifikate an. Mit einer solchen Liste kann überprüft werden, ob nur Personen, die durch den Kanton zur Ausstellung von Impfzertifikaten autorisiert sind, manuell Impfzertifikate beantragen. Der Prozess hat sich als schwerfällig herausgestellt und erforderte mehrere Nachfragen. Es zeigte sich, dass ein zeitnahes und wirksames Controlling in dieser Form nur eingeschränkt möglich ist. Mittlerweile hat der Bund reagiert: Er wird den Kantonen in Kürze ein regelmässiges Monitoring ermöglichen sowie weitere von den Kantonen geforderte Anpassungen angehen.