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Keine Hinweise auf systematische Gewalt in den Bundesasylzentren

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Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Rechte von Asylsuchenden in den Bundesasylzentren systematisch missachtet werden. Die Grund- und Menschenrechte werden grundsätzlich eingehalten. Zu diesem Schluss kommt Alt-Bundesrichter Niklaus Oberholzer, der im Auftrag des Staatssekretariates für Migration (SEM) untersucht hat, ob Mitarbeitende der Sicherheitsdienste unverhältnismässigen Zwang anwenden. Dies trifft in einzelnen untersuchten Fällen zu, bei denen eine Strafuntersuchung eingeleitet worden ist. In seinem Bericht empfiehlt Oberholzer dem SEM unter anderem, die Ausbildung des Sicherheitspersonals zu überprüfen und zu verbessern sowie Schlüsselpositionen in diesem Bereich mit eigenen Mitarbeitenden zu besetzen.

Im Frühling 2021 haben einzelne Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) den Vorwurf erhoben, in den Bundesasylzentren (BAZ) komme es zu exzessiver und systematischer Gewaltanwendung durch die Mitarbeitenden der Sicherheitsdienste. Im Auftrag des SEM hat Alt-Bundesrichter Niklaus Oberholzer sieben Vorfälle untersucht, in denen angeblich unverhältnismässiger Zwang gegen Asylsuchende ausgeübt wurde. Er hat weiter untersucht, ob sich aufgrund der Ergebnisse dieser Abklärungen ein konkreter Handlungsbedarf in Bezug auf das Sicherheitsregime und das Betriebskonzept in den BAZ ergibt.

Foltervorwurf ist unberechtigt und falsch
In seinem Bericht kommt Niklaus Oberholzer zum Schluss, dass es keine Hinweise auf eine systematische Missachtung der Rechte von Asylsuchenden oder eine generelle Voreingenommenheit der Mitarbeitenden der Sicherheitsdienste gibt. Der ebenfalls erhobene Vorwurf der Folter sei unberechtigt und falsch. Er teilt die Einschätzung der nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) und des UNHCR Schweiz, dass die Menschen- und Grundrechte in den BAZ grundsätzlich eingehalten werden. Zudem weist Niklaus Oberholzer darauf hin, dass in sechs von sieben untersuchten Vorfällen eine Strafuntersuchung eingeleitet worden ist und deshalb Gewähr für eine unabhängige und unvoreingenommene Untersuchung durch die Justizbehörden gegeben ist. Aufgrund seiner Abklärungen ist er zum Schluss gekommen, dass Mitarbeitende der Sicherheitsdienste in drei der sieben Fälle unverhältnismässig und eventuell auch rechtswidrig auf eine Konfliktsituation reagiert haben. In drei weiteren Fällen war der angewendete Zwang verhältnismässig und gerechtfertigt, weil er auf die erhebliche Gewaltbereitschaft eines einzelnen, meist in hohem Mass alkoholisierten oder unter Drogeneinfluss stehenden Asylsuchenden zurückzuführen war. In einem Fall bestehen Zweifel, ob die Reaktion auf eine Konfliktsituation adäquat war.

Diese Zahl kritischer Vorfälle mit einigen wenigen beteiligten Sicherheitsmitarbeitenden muss laut Oberholzer in Relation gesetzt werden zur Gesamtzahl der insgesamt rund 700 Sicherheitsmitarbeitenden, die in den BAZ eingesetzt werden, und den mehr als 2000 Asylsuchenden, die sich gleichzeitig in den Bundesasylzentren aufhalten. Die Vorfälle würden zudem verdeutlichen, mit welch schwierigen Situationen Mitarbeitende des Sicherheits-, aber auch des Betreuungsdienstes konfrontiert sein können.

Zahl der Eskalationen konnte deutlich reduziert werden
Das im März 2019 eingeführte neue Asylgesetz brachte grundlegende organisatorische Veränderungen mit sich: die Beherbergungsstrukturen wurden grösser, die Zahl der involvierten Akteure erhöhte sich und die Aufenthaltsdauer der Asylsuchenden in den Asylzentren des Bundes wurde länger. Dieses neue Setting dürfte das Konfliktpotenzial erhöht haben; erst recht ab 2020, als sich die Ausbreitung des Covid-Virus auch auf die Unterbringung und Betreuung der Asylsuchenden in der Schweiz auswirkte.

Das SEM hat deshalb bereits eine Reihe von Massnahmen umgesetzt, um die Zahl der Eskalationen in den Bundesasylzentren so weit als möglich zu reduzieren. So wurde ein umfassendes Gewaltpräventionskonzept erarbeitet, das in allen BAZ umgesetzt wird und jeder Form von Gewalt vorbeugen soll. In den BAZ werden zusätzliche Konfliktpräventionsbetreuende eingesetzt, die aktiv auf Asylsuchende zugehen, um Konflikte zu vermeiden oder zumindest zu deeskalieren. Zudem wurde die Rapportierung von Vorfällen angepasst und die Schaffung einer unabhängigen Beschwerdestelle eingeleitet. Diese Massnahmen wirken sich positiv aus: im zweiten Quartal 2021 konnte die Zahl der Eskalationen und Polizeieinsätze gegenüber dem ersten Quartal um rund 40 Prozent reduziert werden. Konflikte lassen sich in den Bundesasylzentren, so Oberholzer, trotz aller präventiven Massnahmen aber nicht in jedem Fall verhindern.

Niklaus Oberholzer macht in seinem Bericht eine Reihe von Empfehlungen für weitere Verbesserungen im Sicherheitsbereich. So soll etwa die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden der Sicherheitsdienste überprüft und verbessert werden – diese Forderung erhebt auch die NKVF. Zu prüfen sei auch, ob das SEM die Schlüsselpositionen in den BAZ mit polizeilich ausgebildeten, eigenen Mitarbeitenden besetzen sollte. Die Mitarbeitenden der privaten Sicherheitsdienste würden in diesem Fall eine unterstützende Funktion einnehmen. Darüber hinaus empfiehlt Oberholzer dem SEM, die Anwendung disziplinarischer Massnahmen und den Einsatz der Besinnungsräume präziser zu regeln sowie die gesetzliche Grundlage für die Anwendung polizeilichen Zwangs oder polizeilicher Massnahmen zum Schutz der Asylsuchenden und Mitarbeitenden in den BAZ zu prüfen. Zudem sollen die Abläufe bei der Rapportierung von Vorfällen verbessert werden.

Das SEM wird die noch nicht umgesetzten Empfehlungen aus dem Bericht von Alt-Bundesrichter Oberholzer prüfen und nach Möglichkeit umsetzen. Als Sofortmassnahme soll eine Regelung des Einsatzes der Besinnungsräume in der Verordnung über den Betrieb der Bundesasylzentren aufgenommen werden. Es muss sichergestellt sein, dass die Besinnungsräume ausschliesslich in Notsituationen und nach Avisierung der Polizei eingesetzt werden. Zudem wird das SEM die Ausgestaltung der Disziplinarmassnahmen und den Einsatz der Besinnungsräume generell überprüfen, allenfalls präzisieren und die Frage klären, ob es zusätzliche Bestimmungen auf Gesetzesebene braucht.

SEM-internes Audit kommt zu ähnlichen Erkenntnissen
Im Vorfeld zur Untersuchung von Alt-Bundesrichter Niklaus Oberholzer hat das SEM ein internes Audit zu den Abläufen und Zuständigkeiten im Sicherheitsbereich gestartet. Dieses hat Verbesserungsbedarf in verschiedenen Bereichen aufgezeigt. Empfohlen wird unter anderem, die Rollen der verschiedenen Akteurinnen und Akteure in diesem Bereich noch klarer zu definieren und den Austausch unter ihnen zu intensivieren, die Qualität der Ausbildung der Sicherheitsmitarbeitenden systematischer zu überprüfen und diese allenfalls zu verbessern, die Nachbearbeitung der Rapporte zu Zwischenfällen klarer zu regeln und die Anweisungen zum Einsatz der Besinnungsräume zu präzisieren. Auch in diesem Bericht wird empfohlen, die Präsenz von SEM-Mitarbeitenden zu erhöhen. Zudem wird der bereits eingeleitete Aufbau einer unabhängigen Meldestelle für Beschwerden und Anliegen der Asylsuchenden empfohlen.

Auch diese Empfehlungen werden, wo dies nicht schon erfolgt ist, vom SEM geprüft und wenn möglich umgesetzt.